"Prof. Tilman Mischkowsky
über seine Arbeit in Nepal
6 pronews 2/2005
Original"
Nepal
Der gemeinnützige Verein Interplast hilft Menschen der Dritten Welt, die an angeborenen Fehlbildungen oder Unfallfolgen leiden, durch plastisch-chirurgische Eingriffe. Prof. Tilman Mischkowsky, bis Mitte letzten Jahres Chefarzt der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Klinikum Kempten, hat sieben Wochen im Interplast-Hospital von Salambutar in Nepal gearbeitet.
Warum sind Sie gerade nach Nepal gegangen?
Das ergab sich zum einen aus meinem Kontakt zu Interplast; zum anderen hat mir die Aufgabenstellung sehr gut gefallen. Das Krankenhaus wird von einem deutschen Chirurgen zusammen mit einer
deutschen Oberin geleitet. Sie machen dort eine sehr hochkarätige plastische Chirurgie. Die Unfallchirurgie, die sie bisher eher nebenbei betrieben, sollte auf ein höheres Niveau gehoben werden.
Dabei wollte ich gern mithelfen.
Was machen plastische Chirurgen in Nepal?
Die Nepalesen kochen und heizen meistens mit offenen Kerosinbrennern, und es gibt sehr viele Verbrennungen und Verbrennungsfolgen. Ein anderer Schwerpunkt sind Lippen - Kiefer-Gaumenspalten, die
dort gehäuft vorkommen. Kinder mit dieser Fehlbildung werden einfach versteckt und leben unter furchtbaren Bedingungen. Die Plastiker, unterstützt von anreisenden Teams aus Deutschland, leisten
da eine hervorragende Arbeit. In zwei Jahren soll die Klinik in einheimische Hände übergehen; bis dahin soll auch eine funktionierende Unfallchirurgie stehen.
Was waren Ihre Aufgaben?
Ich sollte Operationen durchführen, die bisher an diesem Krankenhaus nicht gemacht wurden und parallel dazu die Assistenzärzte der Klinik trainieren. Ich konnte einen Röntgenbildverstärker
mitnehmen, den ich mit meinem Rotary-Club finanziert habe. Eine Woche nach meiner Ankunft hat der deutsche Chefarzt seinen Urlaub angetreten, und ich habe für sechs Wochen die Leitung übernommen.
Waren Sie schon vorher in Nepal?
Nein, ich bin kein großer Reisender und war vorher auch nicht in fernen Ländern. Die erste Begegnung war ein Kulturschock. Ich habe nicht gewusst, dass es soviel Elend gibt, und dass man das
ertragen kann. Das war gewöhnungsbedürftig. Zudem herrscht in Nepal Bürgerkrieg. Auch wenn ich persönlich nicht wirklich bedroht war, gab es doch einige Zwischenfälle direkt
in der Nachbarschaft der Klinik.
Wie sah Ihre Arbeit aus?
Ich habe natürlich viel plastische Chirurgie gemacht, darunter die Versorgung von Weichteildefekten bei querschnittsgelähmten Patienten, die oft in einem für uns unvorstellbar schlechtem
Pflegezustand sind. Den Ärzten und Schwestern habe ich die Grundlagen der Unfallchirurgie vermittelt, vor allem konservativeTherapie und einfachste Operationen. Das war schwer genug. Die
Mentalität der Nepalesen fördert Ehrgeiz und Neugier nicht. Neuerungen verwurzeln nur langsam. Daneben habe ich viel gebastelt – für einige größere Operationen
habe ich mir die Instrumente selbst angefertigt, und aus alten Wasserrohren habe ich Extensionsgeräte zusammengeschweißt.
Was war Ihr größter Erfolg?
Die Behandlung eines kleinen Kindes, das fünf Monate nach einer beidseitigen Oberschenkelfraktur mit völlig versteiften Beinen, ausgedehnten Weichteildefekten und Pseudarthrosen zu uns gebracht
wurde. Wir konnten das Kind wieder „auf die Beine bringen“.
Was haben Sie für sich mitgebracht?
Das Bewusstsein, dass es uns unendlich gut geht. Dass wir trotzdem keinen Grund haben, mit unserer christlich-abendländischen Vergangenheit auf Länder wie Nepal hinabzuschauen, das schon eine
Hochkultur hatte, als unsere Vorfahren noch durch die Wälder schweiften. Dankbarkeit, dass ich heil zurückgekommen bin. Und den Entschluss, diese Art von Arbeit weiterzumachen.